Mittwoch, 24. Juli 2019

Tag 2214 - Verloren fühlen

Vor sechs von einem übermotivierten Arbeiter aufgeweckt worden, der irgendwas ablädt. Wen interessieren schon Ruhezeiten!
Das Mädi wacht ein bisschen früher als sonst auf, will aber nicht aufstehen, will sich nicht anziehen, einschmieren, weggehen. Ich habe um neun einen Kundentermin für ein Projekt, bei dem ich Vertretung spielen muss. Nichtsdestotrotz sollte ich pünktlich sein. 
Das Mädi weint schon beim Lift, weil die Tür zugeht, ich drinnen und sie draußen steht. Kaum sind wir aus dem Haus, die nächste Verweigerung, es passt heute für sie nicht, sie braucht mehr Zeit, die ich nicht habe.
Ich trage sie zur Tagesmutter, sie will nicht reingehen, die Tagesmutter nimmt sie mir ab und geht mit ihr in die Wohnung. 
Den ganzen Tag verfolgt mich ihr trauriger Blick. 
Zu dem Scheiß-Termin komme ich pünktlich, der Kunde redet eine Dreiviertelstunde ein Mischmasch aus Steirisch/Kärntnerisch und Umgangssprache, es kommt mir vor als müsste ich einer Fremdsprache folgen. 
Ich gehe pünktlich heim, treffe Herrn Hase und das Mädi auf einem Spielplatz in der Umgebung an, das Mädi ist wieder guter Dinge.
Die Tagesmutter hat dem Papa berichtet, dass die Kleine bis um neun dagesessen ist und auf den Boden geschaut hat. 

Genau sowas wollte ich durch unser Arbeitszeitenmodell verhindern. Keinen Stress in der Früh und sie nicht 40 Stunden in der Fremdbetreuung lassen. 
Mir ist schon klar, dass sie wahrscheinlich einfach nur einen schlechten Tag hatte, aber ich werde ihren Blick nicht los.
Ich will jetzt nicht ausrollen, was in meiner Kindheit los war, aber genau das ist es, was ich meinem Kind immer ersparen wollte: Sich verloren fühlen.



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