Freitag, 31. Januar 2014

Tag 214 - Leben

Seit Tagen frage ich mich, warum es mir so geht wie es mir geht. Nämlich ziemlich gut.
Ich weiß, ich hatte Krebs und ich sehe die Stoppelglatze, die Narben und den (Post-)Chemo-Speck.
Ich weiß, dass die letzten 203 Tage nicht Pipifax waren.
Alle sagen, dass ich eine heftige Zeit hinter mir habe.
Nur fühlen tu ich nicht so. Verdrängung? Ich weiß es nicht.

Ich hatte Angst, dass ich nach den Chemos und der OP in ein Loch falle.
Ständig in Behandlung, unter Beobachtung zu sein gibt Sicherheit.
Aber irgendwie ist die Gelassenheit bei mir eingezogen, auch ein gewisser Fatalismus.
Weil fürchten eh nix bringt.
Wenn der Krebs zurückkommen will, dann macht er das auch trotz aller gegenteiligen Bemühungen.

Ich hab keine Lust mehr, Angst zu haben.
Wenn ich aus dem Haus geh, kann mir auch ein Ziegel auf den Kopf fallen. Geh ich deswegen nicht mehr raus? Nein.

Ich hab keine Lust mehr auf unbequeme Dinge. Ich hab vor Jahren zum Rauchen aufgehört, möglichst ohne Zucker, Fett und Alkohol gelebt und Sport gemacht.
Und was hat's gebracht? In meiner Brust ist ein bösartiger Tumor gewachsen.

Ich will nicht mehr so streng mit mir sein, ich will nicht päpstlicher sein als der Papst, ich will einfach nur mehr leben.
Und ich mag mein Leben jetzt.
Es macht mir Freude, durch die Welt zu spazieren, meine Freunde zu treffen und ein Glas Wein zu trinken, in die Arbeit zu gehen und mit den Kollegen zu scherzen, ich freue mich, dass ich am Leben bin.

Also f*ck dich, Krebs. F*ck dich, Angst.
Ich will leben.


Montag, 27. Januar 2014

Tag 210 - Scars/Narben


Narben habe ich nun einige mehr als vor der ganzen Geschichte.
Auf beide Brüsten, da mehr, dort weniger, eine beim Schlüsselbein vom Port.
Dazu die Narben von der Laparoskopie.

Sie erzählen, dass mir etwas Böses widerfahren ist.
Aber auch, dass ich es (bis jetzt) überlebt habe.

Samstag, 25. Januar 2014

Tag 208 - Krebsbuddys

Als mir Anfang Juli 2013 die Diagnose Brustkrebs um die Ohren geknallt wurde, bin ich in den ersten Wochen in eine Art Dämmerschlaf gefallen.
Kein Herumstöbern in Foren, kein Googlen nach Behandlungsarten, kein Lesen von schlauen Büchern, nein, ich war in Schockstarre, die ersten 6 Wochen war ich weggetreten und habe meine Umwelt nur am Rande mitbekommen.

Bei der ersten Chemo war ich noch sehr eingeschüchtert, ich hatte keine Ahnung vom Ablauf, ich wußte nur, dass ich einen Port implantiert bekomme und dass dort dann die Infusionen reinkommen.
Ich weiß heute nicht mal mehr genau, wer noch an diesem Tag in meinem Krankenhauszimmer gelegen ist.

Nachdem der erste Schock verdaut war, habe ich mich nach anderen Patientinnen umgesehen. Bei der zweiten Chemo war ich mit einer Frau im selben Zimmer, die zwar nur ein paar Jahre älter war, dafür aber kaum Deutsch gesprochen hat.
Fehlanzeige, kein Austausch möglich.

Bei der vierten Chemo war kurz eine sehr junge Frau da, die ich schon bei meiner Biopsie gesehen habe. Sie war aber schnell wieder weg, da ihre Werte an diesem Tag keine Chemo erlaubt haben.
Die restlichen Patientinnen waren alle 50+.
Alle um einiges älter als ich.
Ich hatte das Gefühl, völlig falsch zu sein.
Krebs ist schlimm genug, aber Krebs in den frühen 30ern bekommen? Was ist mit mir so verkehrt, warum kann ich nicht gesund sein wie alle anderen auch?
Warum bin ich die, die statt Häuser zu bauen und Kinder zu kriegen Brustkrebs bekommt?

Laut der Statistik Austria erkranken in Österreich jedes Jahr ca. 38.000 Menschen an Krebs, davon  5.434 an Brustkrebs (Stand 2011).
Ich war also eine von denen, eine von den Jungen. Wo sind die anderen?

Ich weiß nicht, ob es mir etwas gebracht hätte, wenn da jemand gewesen wäre, der den gleichen Weg gehen muss, jemand in meinem Alter, jemand, der die gleiche Scheiße durchmacht.
Die Behandlung, die Krankheit stellt so einen Ausnahmezustand dar, dass ich kaum nach links oder rechts geschaut habe, es ging darum, dass ich es überstehe.
Trotzdem habe ich mich damals immer wieder einsam gefühlt, auch heute fühle ich mich oft alleine. Ich will nicht nur mit gesunden Menschen über die Krankheit sprechen, ich will mit jemanden reden, der weiß, wie es ist, krank zu sein.
Der Krebs-Klub ist alles andere als elitär und ich wünsche niemandem dort aufgenommen zu werden, aber trotzdem sehne ich mich manchmal nach Krebsbuddys.

Auch wenn der Krebs weg ist, ich stehe nicht mehr auf der selben Seite wie die Gesunden.
Meine Behandlung ist noch lange nicht abgeschlossen, dennoch kehrt die Normalität langsam zurück, aber so wie früher wird es nie wieder sein. Ich glaube nicht, dass ein so einschneidendes Erlebnis wie Krebs jemals vergessen werden kann.

Im Februar beginnen die Bestrahlungen, die ich in einem Bestrahlungszentrum in einer anderen Ecke der Stadt mache, vielleicht gibt es dort jemanden für mich.

Verständlich?



Donnerstag, 23. Januar 2014

Tag 206 - Heute am Markt

Was mich heute annervt:
Die Kälte
Die Jahreszeit
Dass ich zu viel übers Sterben nachdenke
Dass ich möglicherweise nicht (sehr) alt werde
Meine beleidigte Haut
Haare. Da zu wenig/kurz, dort nervig/zu viel.
Mein Post-Chemo-Speck
Krebs im allgemeinen
schlechte Träume
keine Ahnung haben, was ich mit meinem Leben so generell und überhaupt anfangen soll
Dass "alle" anderen über Kinder nachdenken und auch welche haben werden und ich nicht. Nachdenken schon, haben nein. Ich hätte auch gesund keine bekommen, nur hätte ich es gern selbst entschieden.
Dass jedes Zwicken und jeder Schmerz eine Hirn/Knochen/Lunge/Leber-Metastase sein könnte
Starrende KollegInnen

Was mir den Tag erhellt:
Meine Katzen
Mein Mann
mein frisch bezogenes Bett
Der Gedanke, dass es ein paar Menschen gibt, die ich wirklich interessiere
Mein Appetit
Meine Kollegen
Mein Arbeitgeber, der mich so machen lässt wie ich glaube
Dass mein Körper regeneriert
Schokolade. Immer.
Treffen mit Freunden
Gelassenheit
Urlaubspläne
Der Gedanke, dass ich meinen 35. Geburtstag im Sommer erleben werde

Dienstag, 21. Januar 2014

Tag 204 - Start: Alltag

Es geht rasch, ich fühle mich wieder im Alltag angekommen.

Letzten Mittwoch bin ich wieder im Büro erschienen,
allerdings unwillig und missmutig.
Die Kollegen und auch die Kassenfrau in der Kantine haben sich - abhängig von Beziehung und Persönlichkeit - gefreut, dass ich wieder da bin, dass die Behandlung so gut angeschlagen hat.

Mir hingegen fiel es schwer, die Fassade aufrecht zu erhalten.
Ich konnte mich nicht freuen, ich wollte am liebsten in der Ecke sitzen und einen 100jährigen Dornröschen-Schlaf halten. So ging das am Mittwoch und auch am Freitag.
Donnerstag war ich ja im Krankenhaus für eine Ladung Herceptin.

Seit gestern fühl ich angekommen.
So weit angekommen, dass ich mich bereits heute wieder maßlos über unser verk*cktes CMS ärgere.

Aufstehen, frühstücken, waschen, anziehen, Katzis versorgen und dann die Ohrstöpsel rein und losgehen. Mit Kontaktlinsen, dafür noch mit Mütze.
Mit 3-4 Kilos mehr, da mein Essverhalten noch wie in der Chemo ist und der Sport mir in vieler Hinsicht abgeht.
Mittags mit den Kollegen in der Kantine, spätnachmittags raus und noch Besorgungen machen. Daheim Haushalt.
Alltag.

Einerseits gut, andererseits nein, so will ich das nicht (mehr).
Keine Stunden absitzen, keine Zeit verplempern.
Ich habe bereits mit meinem Chef wegen einer Teilzeitregelung gesprochen, 30 Stunden für 2 Monate lang, danach wieder Vollzeit.
Die viele freie Zeit wird mir abgehen.

Über den Krebs wird kaum gesprochen, ich will auch nicht viel davon hören.
Es reicht, dass man noch sieht, was war.

Dennoch sind da die Träume. Heute nacht habe ich geträumt, dass ich eine Herz-OP über mich ergehen lassen muss.
An mehr kann ich mich nicht erinnern, aber es sagt auch so schon genug für mich aus.
Die Angst vor einem Rückfall bzw. anderen Krankheiten lauert.
Mein Alltag.

Dienstag, 14. Januar 2014

Tag 197 - Arbeits-Blues

Ich habe gestern die Wohnung geputzt ergo
geht es mir wieder gut ergo
gehe ich morgen wieder arbeiten.
Hört mich jemand weinen?

5 Wochen war ich nicht mehr im Büro und meine Begeisterung, morgen wieder hinzugehen, hält sich doch stark in Grenzen.
Aber ich kenn mich, umso länger ich es hinauszögere umso schwerer wird es.
Am liebsten würde ich zu Hause bei den Katzen bleiben.

Viele Krebskranke bleiben die ganze Therapiedauer zu Hause, ich bin zwischen den Chemos immer arbeiten gegangen, um den Anschluss nicht zu verpassen, um nicht zu versumpern (verwahrlosen).
Sicher hat mich die Arbeitsumgebung auch abgelenkt.

Ich überlege, für 2 oder 3 Monate nur Teilzeit zu arbeiten, wenn der Arbeitgeber mitspielt.
Die Wunde ist verheilt, ich muss keine Medikamente mehr nehmen, die Chemo ist vorbei, trotzdem fühl ich mich so unendlich müde.
Ich bin mir nicht sicher, ob die Müdigkeit körperliche Ursachen hat oder ob meine Psyche nach der Anspannung der letzten Monate einfach nur schlafen will.

Gestern hab ich Pakete für Nachbarn angenommen, der Paketzusteller ist mittlerweile an meinen Anblick gewöhnt, die Nachbarin hingegen, die dann ihr Paket abgeholt hat, hat mich Nacktmulch mit den roten Flecken im Gesicht schon genauer inspiziert.
Glücklicherweise gibt es Makeup, auf die neugierig-mitleidigen Blicke kann ich gut verzichten.

Ich wundere mich immer wieder, warum ich nicht plötzlich mit mindestens 10cm langen Haaren aufwache. Ja, sie wachsen. Aber leider viel zu langsam.
Einen, wenn nicht sogar zwei Monate muss ich noch mit Mütze im Büro herumlaufen.
Ich will wieder normal aussehen. Ich will Haare. Jetzt.

Für heute gilt allerdings nur noch:

Samstag, 11. Januar 2014

Tag 194 - 2 Jahre

Heute vor 2 Jahren sind wir in unsere Wohnung mit Blick auf (beinahe) ganz Wien gezogen


Limonade mit Spuren von Alkohol :)
Prost!


Samstag, 4. Januar 2014

Tag 187 - Step by Step

Lang, lang ist es her.


Einen Schritt vor und wieder einen halben zurück.
Ich versuche mich von der Operation und den damit verbundenen Krankenhausaufenthalten zu erholen, manche Tage sind besser, manche schlechter.
Bis vorigen Freitag war ich auch guter Dinge, dann kam wieder eine Herceptin-Infusion.
Herceptin ist notwendig, da es die Rückfallgefahr deutlich herabsetzt.

Es war jedoch die blödeste Idee ever nach den Feiertagen in's Spital zu gehen, das wenige Personal war total überfordert, beim Onkologen hatte ich sogar das Gefühl, er wäre eingekifft.

Um 9 Uhr morgens hin und um 16 Uhr komplett fertig wieder raus. Beim Heimweg hat die Straßenbahn geraucht und nach einer Stunde bin ich bereits mit erhöhter Temperatur daheim angekommen.
Das war zwar schon meine 8. Herceptin-Infusion, aber die hatte es so richtig in sich, am Abend kamen noch Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl dazu.
Da denkt man sich: "He, der Scheiß-Krebs ist weg, jetzt kann's nur besser werden." und dann kriegt man so eine schöne Breitseite Nebenwirkungen.
Am Silvestertag haben mein Kopf und mein Gesicht zu jucken begonnen und seither seh ich aus, als hätte ich mich mit einer stumpfen Klinge rasiert. 
Call me Eiterbeule. 

Ich fühl ich mich noch kraftlos. Durch die Rumliegerei nach der OP bin ich in meiner Beweglichkeit eingeschränkt, wenn ich dran denke, wie trainiert und muskulös ich vor der Diagnose war... Buäh.

Und trotzdem ist nicht alles Scheiße. Der Krebs ist weg. 
Ich will den Blogtitel nicht ändern in "ich nach brustkrebs", ich habe zu viel Angst, irgendwann sagen zu müssen "Der Krebs ist zurück", aber tief in mir [weiß] hoffe ich, dass es das war.

Die Brust verheilt auch gut, nachdem sie kurz nach der OP ausgesehen hat, als ob sie in eine Messerstecherei und eine Schlägerei verwickelt gewesen wäre, ich kann meinen linken Arm schon wieder ganz nach oben strecken.
Die Haare wachsen auch wieder, schön langsam muss ich mich wieder mit Rasierer und Epilierer anfreunden. Das Kopfhaar lässt sich etwas bitten, das ist immer noch flaumig, die Brauen sehen aus, als würden sie nach einer Rasur nachwachsen. Wirkt etwas dreckig.

Ich sehe jede Frau mit schönen Haaren neidisch an, gestern habe ich sogar die Haare meines Mannes vermessen (> 55 cm) und 30 cm davon verlangt. Auch drinnen mit Mütze rumlaufen nervt.
Aktuell habe ich eine Opa Nase-Gedächtnisfrisur:





Ich freu mich schon so auf den ersten Friseurbesuch, auf das erste Mal Haare färben, auf Sport, Autofahren....

Viel zu tun.