Mittwoch, 26. März 2014

Tag 268 - Unschlüssigkeiten

Mal wieder Haar-Fotos, mittlerweile finde ich meine Frisur ja ganz witzig.


Ich laufe auch schon überall ohne Mütze herum, manche schauen noch komisch, aber es ist mir sowas von wurscht.

Zu Freitag und der 12. Herceptin-Gabe:
Diesmal war alles easy, ich bin direkt von der Bestrahlung von einem Ende zum anderen Ende der Stadt gefahren, vom Süden in den Westen. Kurz vor 9 dort angekommen und auch gleich aufgenommen worden und der Breast Nurse mein Leid geklagt. Die hat mir dann gesagt, dass die Apotheke nicht bei der Lieferung geschlampt hat, sondern dass die Abläufe umgestellt wurden. Die Apotheke liefert nur mehr zweimal am Tag, wenn die Chemo nicht bis 10:30 vom Onkologen freigegeben wird, hab ich Pech und darf bis 16:30 auf die zweite Lieferung warten.
Da ich das letzte Mal zuerst beim Herzecho war, bin ich (zu) spät zum Onkologen gekommen und habe daher über 4 Stunden auf die verf*ckte Infusion gewartet.
Erklärt worden ist mir das das letzte Mal natürlich anders, aber Schuld haben ja auch immer die anderen.
Wie auch immer, ich werde jetzt als Tagesklinik-Patient vorrangig behandelt, damit ich vor 10:30 beim Onkologen fertig bin. Auf meine schriftliche Beschwerde wurde natürlich noch immer nicht reagiert, darum werde ich mich nächste Woche kümmern.

Diesmal waren die stationär aufgenommenen Patientinnen im Chemozimmer wesentlich jünger, zwei Frauen Anfang/Mitte 40, für die eine war es die 30.-40. Chemo, ihr fehlte eine Brust.
Die zweite vor ihrer ersten Chemo, noch mit Haaren am Kopf und voller Unsicherheit und Angst.
Ich hätte ihr so gern etwas tröstliches gesagt, aber diese blöde Introvertiertheit lässt mich meinen Mund nicht aufmachen.
Beide mit befallenen Lymphknoten.
Bei solchen Begegnungen kommt mir immer wieder in den Sinn, welch Glück ich eigentlich habe.
Zwar war ich erst 33 bei der Diagnose und das Ding war schon sehr groß, aber da hat nix gestreut, alles andere war sauber.
Meine Mutter meint, der Krebs wollte Aufmerksamkeit, er wollte entdeckt werden. Ein Warnschuss quasi.

Nur: Was will mir der Krebs sagen?
"Hallo, ich weiß, du bist viel zu jung, aber ich wachs da mal flott vor mich hin, ruinier dir beinahe die linke Brust und nebenbei auch dein Leben, zeig dir dabei aber, wer dich wirklich liebt, wie viel du den Menschen wert bist. Ich bring dich dabei an deine Grenzen, zeig dir aber auch, wie stark du wirklich bist und bin dann wieder weg."
Ist das die Botschaft? Hat der Krebs einen Sinn?
Ich weiß es nicht, bin mir aber sicher, dass mich diese Frage mein Leben lang begleiten wird. Wenn nicht sogar verfolgt.

Jedenfalls war ich um 14 Uhr wieder fertig im Krankenhaus und bin dann bei schönstem Wetter nach Hause gefahren und hab mich zu meinem Kater auf's Sofa gesetzt. Allerdings kamen dann bald die Nebenwirkungen von Herceptin und mir wurde kalt und schlecht und ich hab Kopfweh bekommen.
Idiotischerweise musste ich dabei einen Blog von jemandem lesen, der mit Anfang 30 an einem Glioblastom gestorben ist.
Ich weiß nicht, wozu ich den Finger noch in die Wunde legen musste, aber fertig von der Infusion habe ich Seite um Seite gelesen und immer mehr in das Fell meines Katers geweint.
Am nächsten Tag war der Spuk wieder vorüber.

Sonst tut sich nicht viel. Jeden Tag Bestrahlung, danach arbeiten.
Mit April bin ich wieder Vollzeit-Angestellte. Aktuell hadere ich immer wieder mit meinem Job, ich seh wenig Sinn darin und schau mir zum hundersten Mal die Seite der Uni an, an der ich endlich meinen BSc in Engineering machen könnte.
Ich bin sehr unschlüssig. Was soll aus mir werden? Was will ich machen? Kommt da  noch was?

Normale Menschen machen normale Dinge.
Ich hab wie immer eine Helga Nase-Spezialausführung.
Das strengt an.

10 Kommentare:

  1. Der Krebs wollte Aufmerksamkeit, er wollte entdeckt werden? Finde ich ja schwierig, das jemandem zu sagen. Mag ich bei mir selbst auch ständig nach sinnvollen Zusammenhängen suchen - ich würde es nicht wagen, diese Sichtweise einem anderen auch nur vorzuschlagen, so er nicht selbst damit anfängt.

    Über den Sinn des oder meines Lebens sage ich lieber nichts. Manchmal denke ich, dass der einzige Sinn der ist, dass ich ihn lebenslang suche. ;))

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    1. Sie meint damit, dass der Krebs mir nichts tun wollte, sondern "nur" aufzeigen, dass etwas nicht stimmt.
      Leicht esoterisch angehauchte Mutter eben, man mag davon halten, was man will, die Sinnfrage ist eine schwierige und auch permanent vorhanden.

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  2. Normale Menschen machen normale Sachen.
    Das ist die Antwort.

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  3. Der Tumor ist weg. Er hatte nicht gestreut. Die Haare wachsen wieder. Irgendwann ist die Nachbehandlung vorbei. Du bist jung. Mach was normale Menschen machen! Mach normale Sachen und lebe!!! Grüße an Dich und den Zechnikermann.

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    1. Ja eh, machen und nicht darüber jammern. Guter Plan, ich arbeite an der Umsetzung.

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  4. Das ist das anstrengende an so einer Krankheit: Ständig denkt man, man müsse etwas Besonderes tun und wird umso unzufriedener mit sich, je weniger man diesen Erwartungen, die auch von außen auf uns einprasseln, gerecht wird. In ein normales Leben zurückzufinden ist aber auch fast nicht möglich. Vor allem, weil man sich ja schier weigern MUSS, Krebs als neue Normalität anzuerkennen. Und dann ist man, ob des unsäglichen Chemo- Hirns und er ständigen Müdigkeit noch in der unglücklichen Lage, dass die großen Veränderungen, die man sich erträumt, an der beherzten Umsetzung scheitern. Verzwickt, wirklich. Das Argument, man sei ja jung und hätte Zeit, hinkt ja für Krebserkrankte ohnehin irgendwie. Weshalb alles sofort und gleich passieren sollte. Ich hab das manchmal auch alles so satt.
    Diese Aufbruchstimmung in den letzten Zügen der Behandlung fand ich allerdings ziemlich spannend.
    Deine Frisur ist übrigens Zucker!

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    1. Es ist ein zweischneidiges Schwert:
      Ich geh ja vor allem deswegen brav und täglich in die Arbeit, weil ich mir die Normalität erhalten wollte. Jetzt kann ich natürlich so tun als wär nix gewesen, nur taucht dann die Frage auf, ob der Krebs nicht vom bisherigen Lebenstil bzw. Lebenswandel, Stress etc. kommt. Blöd.
      Auf der anderen Seite soll man sich eben schonen, jedenfalls sagen das alle. Dann frag ich mich, warum ich Trottel jeden Tag arbeiten geh.

      Ich soll normale Dinge machen. Ich soll leben. Ich soll, ich soll, ich soll...

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