Mittwoch, 27. Mai 2015

Tag 695 - Zwischenruf...

... aus dem Post-Krebslager.

Es geht mir gut. 
Ich modelliere noch an meiner Post-Krebs-Persönlichkeit, aber das tut man eh immer und überall. Also an der Persönlichkeit arbeiten, absichtlich oder unabsichtlich.

Das einzige, was mit dem Krebs in Verbindung gebracht werden kann, ist, dass ich auf die Antwort meines Finanzamts warte zur Anerkennung meiner Behinderung seit 2013.
Aber ich hab ja Zeit... I want my money back!

Nächste Woche Salzburg. Ich allein für 2 Tage. Meine Post-Krebs-Persönlichkeit hat entschieden, das zu tun, was sie will.
Nicht immer angenehm, aber unvermeidbar.

Kleine Kontrolle in der zweiten Juni-Woche. Schiss? Nicht jetzt.

Freitag, 15. Mai 2015

Tag 683 - Kontrollen

Nach einer unruhigen Nacht, das Tracking Armband hat meinen Schlaf ausgewertet, sitze ich mittags übernachtig in meinem pinken Schalen Push up vor dem Arzt.
Die jährliche Kontrolle in der Strahlenklinik steht an.

Arzt: "Sind Sie noch in Krankenstand?" - Helga: "Ich habe immer gearbeitet."
A: "Mit einem Behindertenausweis haben Sie Anspruch auf ein weitere Woche Urlaub." - H: "Ich hab mir den Ausweis nur für die Steuer geholt, für die Arbeit würde ich ihn als Fessel empfinden."
Ich bin so cool, ich hab ja immer alles auf die Reihe gekriegt. Ach, scheiß drauf.
Nach dem Termin atme ich stoßartig aus, immer wieder.

Am Eingang des Krankenhausareals steht er, der Mann. Herr Hase ist da, egal, wie das Ergebnis aussieht. Er, der sich immer und immer wieder für mich entscheidet. Wie sehr mir die Tränen kommen ob dieser Treue.

Zufällig kommt genau heute das Buch von Jessica Wagener. Narbenherz.
Den ganzen Nachmittag gelesen, in einem Zug.
Auch ihr ist in jungen Jahren der Krebs widerfahren, aber nicht nur der Krebs, sondern auch Komplikationen, Infektionen, Fieber, OPs, Schmerzen. 
Ich mag ihre Sprache, sie schreibt nicht so hipstermässig wie viele heute. Die Metaphern passen.

Auch mein Herz ist wie die Brust darüber vernarbt. Nur war ich nie allein, auch wenn ich es mir manchmal gewünscht habe.
Inzwischen habe aufgehört mich nach dem "Warum" zu fragen. Weil es eben keinen Grund gibt.
Man kann, man muss nicht alles kontrollieren.

Die Kater sitzen in trauter Zweisamkeit am Fenster und starren die vorbeiziehenden Menschen und Hunde grimmig an, sie erinnern mich an Statler und Waldorf.
Der Himmel über Wien ist rosa.

Donnerstag, 14. Mai 2015

Tag 682 - Faden

Ich muss mir ernsthaft auf YouTube ansehen, wie man bei einer Nähmaschine den Faden einfädelt. Ernsthaft.
Wenn ich meinen Anzug zum Schneider getragen hätte, wäre mir das erspart geblieben.
Ich bin irritiert.





Mittwoch, 13. Mai 2015

Tag 681 - Frust

Im Grunde geht es mir gut.
Wenn ich in der Ubahn stehe oder aus meinem Wohnzimmerfenster versonnen ins Grüne sehe, kommt oft der Gedanke: "Ich bin so dankbar noch hier zu sein."
Ich glaube, durch die Krankheit insgesamt ein positiverer Mensch geworden zu sein.

Was mich aber unglaublich frustriert, ist meine körperliche Verfassung bzw. Leistungsfähigkeit.
Ich brauche viel Schlaf, bin aber trotzdem quasi dauermüde und habe keine Kraft.
Wenn ich in meinen Turnkursen Damen um die 60 sehe, die die Übungen, an denen ich verzweifle, scheinbar mühelos machen, könnte ich mich auf die Matte legen und losheulen.

Ich fühle mich oft wie eine 70jährige. Der Chemospeck wird nicht weniger, Sodbrennen plagt mich und die Gelenke schmerzen, die Haut und Augen sind trocken.
Ich weiß, die Behandlung war kein Klacks. Dazu hatte ich unwahrscheinlich viel Glück, der Krebs ist weg.
Trotzdem ist da manchmal dieser Frust. Ich wär so gern eine normale 35jährige.




Montag, 4. Mai 2015

Tag 672 - Langweilig

Langweilig hier, nicht?
Bei Abnehmbloggern verheißt Stillschweigen ja meist nichts Gutes, wie ist es bei Krebsbloggern?

In meinem Fall heißt es, dass sich auf der Krebsfront nichts tut, was durchaus positiv ist. Tatsächlich verspüre ich auch eine gewisse Unlust, was das Thema anbelangt.

Letzte Woche habe ich kurz meinen Arzt im Brustzentrum besucht, hab ihm meine Wunde gezeigt, die das Prädikat "schön" erhalten hat, mir die Versicherung, wie tapfer ich beim Eingriff doch gewesen sei abgeholt und war nach 10 Minten auch schon wieder verschwunden.
Ich war so kurz im Krankenhaus, dass Beklemmungszustände gar nicht aufkommen konnten.

Aber das war nur eine kurze Episode in meinem Alltag.
Der besteht sonst aus Arbeit, lesen, häkeln, Filme schauen, in der Gegend herumlaufen, den alten Kater zum Tierarzt bringen, jeden Huster von ihm (Kater nicht Tierarzt) beobachten, essen, mir im nächsten Zug überlegen, wie ich meine Oberarme und den Rest meiner Figur auf Vordermann bringen kann, Yoga, Wäsche waschen, Garderobe, Taschen und Schuhe inspizieren.

Langweilig.
Gut.
Nach knapp 2 Jahren Wahnsinn wird's endlich.