Donnerstag, 31. Juli 2014

Tag 395 - Die Hand

... des Todes.




Nein, eh nicht.
Schaut nach einer Überbeanspruchung aus, sagte die Ärztin und hat mich nach Hause geschickt.

Hm, was macht man als Rechtshänder mit verbundener rechter Hand, die nicht bewegt werden soll?

Mittwoch, 30. Juli 2014

Tag 394 - Dippel

Tippt man in Google "Dippel am Handgelenk" ein, dann kommt die Synonym-Suche zum tragen.
Google weiß, dass "Dippel" das österreichische Wort für "Beule" ist und schlägt mir sogleich das Handgelenksganglion vor.

Montag Abend fällt mein Blick auf meine rechte Hand, da ist am Übergang von Hand zu Arm eine Vorwölbung, die wie ein Gelsenstich aussieht, aber nicht juckt, dafür bei Druck weh tut.
Herr Hase sitzt am Sofa gegenüber, kommt auf mein Kreischen auf meine Couch und beruhigt mich: "Das ist morgen wieder weg."
Ist es aber nicht, Dr. Google wird am nächsten Tag zu Rate gezogen.

Morgen geh ich zu meiner praktischen Ärztin, die soll sich das Ding ansehen und meinetwegen aufschneiden, punktieren, was auch immer. Mir wurscht.
Ich will nur hören: "Das ist harmlos."

Im Grunde fürchte ich mich auch nicht, aber trotzdem schwirrt in meinem Kopf der Gedanke "Bloß nicht noch eine schlimme Diagnose." herum.
Auch nach der "Heilung" bin ich 5 Jahre lang Risikopatient.
Das bedeutet unter anderem, dass man sich bei jedem Scheiß Gedanken machen und zum Arzt laufen muss.

Montag, 28. Juli 2014

Tag 392 - Willkommen

Hausräumung in Wien



Mehrere hundert Polizisten räumen ein von 50 Punks besetztes Haus in Wien.
Willkommen im schönen Staat Österreich!

Samstag, 26. Juli 2014

Tag 390 - (Nicht) doof

Aus Angst vor akuter Verblödung vor Tagen wieder zum guten alten Thomas Bernhard gegriffen.
Festgestellt, dass ich nicht doof, sondern desinteressiert und unkonzentriert bin.

Dafür war die Woche mehr als doof, auch in der Arbeit.
Es muss ja immer was sein.

Donnerstag, 24. Juli 2014

Tag 388 - Masken

Ich laufe mit einer Maske, einer Fassade durch's Leben.
Das macht jeder, ich in der Regel, um mir die Menschen vom Hals zu halten.

Im Leben mit/nach Krebs fällt es mir leichter und auch schwerer, sie nicht zu verlieren.
Im Normalbetrieb ist es leichter, da versuche ich die "Freundlich, aber distanziert"-Maske zu zeigen.

Nur wenn's brodelt, dann wird es bitter. Dann schaff ich es kaum, die Emotionen in Schach zu halten.
Dann rutscht die Maske runter, obwohl ich sie doch so dringend brauche. Damit nicht jeder sehen kann, wie sehr mich dieser verdammte Krebs verwundet, geschwächt und verstümmelt hat.

Wann hört das auf?

Sonntag, 20. Juli 2014

Tag 384 - Sonntag

Sonntag, an dem man mit dem kleinen Bruder im Pool plantscht. Sich angeregt mit dem 2jährigen Sohn des Cousins unterhält, der wie der geliebte Großvater heißt und auch aussieht. Leider konnte er mir nicht beantworten, ob er mein reinkarnierter Opa sei.
Marillenkuchen, Grillkäse, Spritzpistolen, Sommerhitze, Weißwein, Chlorwasser.
Tatort, aber nur der mit Jan Josef Liefers.
Sonntag.

Freitag, 18. Juli 2014

Tag 382 - Zombieland

Ob es Zufall ist, dass ich heute Nacht von einer Zombie-Invasion geträumt habe? Wohl kaum.

Aber es waren nicht die schlurfenden, fast ungefährlich wirkenden, nein, es waren schnelle, brutale, die einen in Stücke hauen und in Windeseile auffressen.

Die Tränen laufen leise. Viel lieber aber würde ich schreien und mit Dingen um mich werfen.

                                              Quelle: http://zockblogat.blogspot.co.at/

Dienstag, 15. Juli 2014

Tag 379 - Nachbesprechung

Die aktive Behandlung ist beendet.
Ich habe 3 Operationen (inkl. Port), 6 Chemos, 27 Bestrahlungen, 11 Herceptin-Monoinfusionen hinter mich gebracht. Hört sich nach gar nicht so wenig an, hm?
Hat auch 1 Jahr gedauert.
Jetzt beginnt die Nachsorge.

Vor dem Termin im Krankenhaus sitze ich im Büro und fühle mich klein und zerbrechlich. Was werden sie mir im Brustzentrum sagen? Welcher Arzt wird dort sein?
Muss ich jetzt ganz alleine auf mich Acht geben?
Wie oft werde ich zur Kontrolle müssen? Wie sieht das Rezidivrisiko aus?

Kurz danach sitze ich auch schon im Wartebereich des Brustzentrums. Eine ältere Frau spricht mich an: "Sind Sie auch operiert worden?"
Sie sagt mir auch, dass sie vor der drohenden Chemo Angst hat.
Ich bin nicht recht in der Laune mich zu unterhalten, aber eines will ich ihr mitgeben: "Eine Chemo ist nicht angenehm, aber sie bringt Sie nicht um."
Dann werde ich schon aufgerufen und tatsächlich sitzt im Untersuchungsraum mein Lieblings-Oberarzt.
Er schaut sich nochmal die Untersuchungsergebnisse an, gratuliert zu der unauffälligen Knochenszinti und bespricht mit mir das weitere Vorgehen.

Anfang September habe ich eine CT- und Ultraschalluntersuchung, danach alle 3 Monate Kontrollen. Für den Rest ist der "normale" Gynäkologe zuständig, d.h. ich werde in die Privatordination des Lieblings-OA wechseln. Zu meiner alten Ärztin will ich nicht mehr, nicht, dass ich etwas vorwerfe.
Aber ich will einen Arzt haben, dem ich vertraue, der sich Zeit nimmt. Dafür bezahle ich gerne.

Zum Schluss sagt er mir noch eines: "Es ist nicht häufig, dass ein Tumor auf die Behandlung so gut anspricht wie bei Ihnen."
Ich sollte mich darüber freuen, aber irgendwie klappt das heute nicht.



Donnerstag, 10. Juli 2014

Tag 374 - Anders

Wenn ich mir Fotos von früher ansehe, erkenne ich mich nicht mehr.
Ich weiß, dass ich die Frau mit der wechselnden Haarlänge und Farbe bin, aber ich kann keinen Bezug mehr zu meinem früheren Ich herstellen. 

Mein jetziges Spiegelbild überrascht mich hingegen nicht, ich bin nicht größer, nicht kleiner geworden, höchstens etwas fülliger, aber das fällt nicht wirklich auf.
Der Unterschied zu früher ist die Frisur und die jetzt wesentlich häufiger getragene Brille.
Es dauert noch eine Zeit, bis die Herceptin-Nebenwirkungen verschwinden und meine Augen nicht mehr staubtrocken sind.

Der Lieblingskollege meinte vor Monaten die 5mm-Frisur würde mir besser stehen als die halblangen Haare, die ich am Foto meines Mitarbeiterausweises trage. Wie ich mein Haar in Zukunft tragen werde, weiß ich noch nicht - ich hab seit Wochen eine Blondierung zu Hause, mal sehen, vielleicht werd ich ja noch platinblond.

Meine Kleidung ist nicht mehr ausschließlich schwarz, mittlerweile kommen auch andere Farben dazu.
Fotos von mir mit Anfang 20 in schwarzer Kluft und schwarzem Haar tun mir fast weh, es ist mir zu düster geworden.

Auch mein Musikgeschmack hat sich verändert, speziell ist er wohl noch immer, aber jetzt ist er irgendwie kraftvoller. Schreien die Herren los und wummern die Gitarren, gibt mir das Antrieb.

Mein Wesen: Noch immer bin ich sehr direkt für Wiener Verhältnisse, für manche abschreckend mit meiner Waldviertler Kühle, aber insgesamt fröhlicher, lebensbejahender, offener.
Ich gehe leichter, schneller auf Menschen zu.

Ich frage mich oft, was der Krebs an meinem Leben verändert hat. Meine Lebensumstände haben sich nicht sehr geändert, ich hab nicht den Job, die Wohnung, den Partner gewechselt.
Aber ich bin anders. Und kann es nicht schlecht finden.


Mittwoch, 2. Juli 2014

Tag 366 - Ein Jahr

Da ist er nun, der erste Jahrestag der Diagnose.

Meine Stimmung in den letzten Tagen war eher, hm, düster, auch wenn ich sehr erleichtert über den unauffälligen Befund der Knochenszintigraphie war.
Ich weiß nicht, ob das am nahenden Jubiläum lag oder einfach an der momentan vorherrschenden Erschöpfung. Fatique erster Kajüte würde ich sagen.


In dem Jahr gab es ein stetiges Auf und Ab, ein Schwanken zwischen Hoffnung und Angst.
Der Krebs hat mir viel genommen, aber auch viel gegeben.

Mit zwei Menschen habe ich keinen Kontakt mehr, sie haben sich nach der Info, dass ich krank bin (ohne das K-Wort zu erwähnen) einfach nicht mehr gerührt.
Das waren keine engen Freunde, mehr Bekannte und naja, so der Smalltalk- und "lass uns einmal bis zweimal im Jahr treffen und dabei nur Plattitüden austauschen"-Mensch war ich eh nie.
Daher kein Verlust.

Die Beziehung zu meiner Mutter hingegen ist viel, viel, viel besser geworden. Sie hat bewiesen, dass sie sich kümmert und ist immer da gewesen, wenn ich sie gebraucht habe.
Ja, mein Mann. Ein Wiener Grantler, der oft nicht viel sagt.
Aber wenn's um was geht, ist er da. Ich kann gar nicht in Worte fassen, was es mir bedeutet, was er im letzten Jahr für mich gemacht hat und wie er mir beigestanden hat. Ich bin sehr dankbar, dass ich ihn habe. Ein Freund in der Not ist ein wahrer Freund.

Die Wertschätzung und Unterstützung in der Arbeit. Nicht erwartet, aber sehr schön.
Meine 2-4 Freunde, die da waren, die immer wieder interessiert nachgefragt haben, wie es mir geht.

Und jetzt?
Ich habe viele Pläne, einige Baustellen. Ich werde die Brust machen lassen, auf Kur fahren, meine Augen lasern lassen (nie wieder Linsen mit trockenen Augen), Zähne richten, die "ich muss mich abgrenzen"-Tätowierung weiter entfernen lassen.
Beruflich wird's im Herbst spannend.
Früher habe ich viel aufgeschoben, heute geh ich es an.


Ich seh das Leben trotz oder weil Rückfallgefahr und Nebenwirkungen jetzt anders.
Wie ich mich fühle?
Weder gut noch schlecht, anders eben. Ich bin eine andere.