Gestern war ich wieder im Krankenhaus, diesmal um meine
Psychologin zu treffen.
Die Erlebnisse bei den Herceptingaben haben mich so verstört, dass
ich mit ihr darüber reden wollte.
Da der Abbruch der Therapie keine Option ist, musste das Ganze
geklärt werden.
Der Ablauf der Therapien im Februar und zuletzt im April haben
nochmal gezeigt, wie sehr mir die Art und Weise der Behandlung meine Selbstbestimmung stört
und mir die Kontrolle über mein Leben nimmt, ich mich ohnmächtig und nicht wahr
- bzw. ernstgenommen fühle. Die von mir so empfundene Mentalität "friss
oder stirb" stößt mir extrem auf. Beende ich
die Therapie vorzeitig, [weil ich mit dem Ablauf nicht zurecht komme,]steigt das Wiedererkrankungsrisiko. Also muss ich fressen.
Oder solange reden, bis es auch anders geht.
Oder solange reden, bis es auch anders geht.
Obwohl ich meiner psychoonkologischen Betreuung vertraue und sie
schätze, hab ich in der Nacht davor schlecht geschlafen.
Das Thema liegt mir im Magen.
Die Psychologin sagt, bei mir wäre die "Spitalsflucht"
stark ausgeprägt und dass sich junge Frauen stärker gegen das verzopfte System
und "in die Warteschleife hängen" wehren als ältere Damen.
Mit jeder weiteren Behandlung schwindet die Toleranz, die Unsinnigkeiten,
die in dem Spitalsbetrieb auftreten, zu akzeptieren.
Sie meint auch, dass es mein gutes Recht ist gegen eine
Behandlung aufzubegehren, die mir schadet.
Sie hat dann in der Onkologie angerufen und mein Kommen für
Freitag avisiert, die Sekretärin weiß dort Bescheid, dass ich so schnell wie
möglich drankomme.
Meine übliche Breast Nurse, habe ich bei dem Gespräch erfahren, ist
in Krankenstand und wird wahrscheinlich auch nicht mehr in der gewohnten Form
zurückkommen, das Wort „Burnout“ ist gefallen.
Ich möchte mit den Schwestern nicht tauschen wollen, aber ich bin
mir sicher, sie mit mir auch nicht.
Kurz haben wir auch die Bestrahlung und die damit verbundenen Ängste
thematisiert.
Ich hab immer wieder das Bild im Kopf, im Auto zu sitzen und gegen die Wand zu fahren. Immer und immer wieder. Gang rein, gegen die
Wand fahren, immer und immer wieder.
Es schreit und tobt dann in mir, wie bei einem kleines Kind, warum
ich, warum nur ich?
Ich war kein böser Mensch, warum hab ich Krebs bekommen, warum nur?
Es ist eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. Die Psychologin sagt,
man spürt die Wut in mir.
Was soll das? Nicht nur, dass ich mindestens ein Jahr verschissen
habe, nein, auch mein weiteres Leben wird dadurch beeinflusst, gestört und
möglicherweise verkürzt.
Krebs ist nix, was man einfach abhaken kann unter dem Punkt „been
there done that“, nein, es hilft nichts, zu sagen, du bist jung, leb dein Leben.
Ja, ich bin jetzt ausgeglichener als vor dem Krebs, weil mir
mehr Sachen als vorher einfach wurscht sind, weil ich mir jetzt noch leichter
tue, das durchzusetzen, was ich will.
Nur, war’s das wert? Hätt ich nicht weiter mit meinem alten Ich
und ohne Krebs weiter leben können, besser leben können?
Diese Ungerechtigkeit wird mich mein Leben lang immer wieder
wurmen.
Natürlich ist es auch gut, dass ich mich jetzt noch weiter
abgrenzen kann. Natürlich ist es gut, dass ich nicht mehr nach Eventualitäten
lebe, nicht alles doppelt und dreifach checke, sondern einfach mache.
Aber den Preis dafür will ich nicht zahlen. Den Krebs dafür hab
ich nicht gebraucht.
Scheiß Wut.
Scheiß Krebs.
Tief durchatmen.
Und tatsächlich geht’s mir jetzt besser. Ich hab durch das unbequem
sein und Nachbohren meine Selbststimmung ein Stückchen wiedererlangt.
Ich hoffe, es ist geklärt.
Freitag wieder.