Donnerstag, 6. Februar 2014

Tag 220 - Gut

Wer glaubt, dass jetzt alles gut sei, weil ich das Schlimmste hinter mir habe, also Chemo und OP, der irrt. Aber das glaubt eh niemand, oder?

Grundsätzlich geht's mir gut, sehr gut sogar. Schlafe ich genug - und ich brauche momentan viel Schlaf - bin ich am nächsten Tag ausgeruht, gut gelaunt und einsatzfähig. Ich geh in die Arbeit, ich versuche dort auch produktiv zu sein und setz mich mit den Kollegen in Meetings und zum Mittagessen.
Teilzeit zu arbeiten ist echt cool und wenn ich nicht mit den Herren esse, gehe ich gegen 14 Uhr nach Hause.

Vorgestern war die Vorsprechung für die Strahlentherapie, ich wurde einer sehr netten Oberärztin zugeteilt, die mich mit ihrem Tiroler Dialekt amüsiert hat.
Das meiste, was sie mir erzählt hat, wusste ich zwar schon, aber sie hat auch die operierte Brust inspiziert und das Ergebnis als sehr schön bezeichnet. Was beruhigt und mir zeigt, dass die Operateurin die richtige war.
Danach bin ich durch das kalte Wien gelaufen, auf dem Weg zur Straßenbahn sind die Tränen gekommen.

Gestern Nachmittag bin ich beim Geschirr abtrocknen plötzlich ins Schluchzen verfallen, ohne Vorwarnung, unmotiviert.

Da sitzt was tief drinnen, etwas, das ich meistens gut verdrängen, wegschieben kann.
Morgen ist wieder ein Spitalstag, ich find die so Scheiße, ich will nicht wieder 7 Stunden dort verbringen müssen.
Anmeldung bei der Breast Nurse, dann zum Onkologen, irgendwann Port anstechen, Herceptin verpasst bekommen, Nadel ziehen lassen, Entlassungspapiere bekommen.
Und dazwischen warten, warten, warten.

Es geht mir gut, ich wage zu behaupten, dass es mir in Anbetracht der vergangenen Monate sehr gut geht.
Aber es ist noch lange nicht zu Ende.





4 Kommentare:

  1. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Du in den Zeiten der Chemo vor allem mit dem Verstand agiert hast, so eine Art ideeller Überlebenskampf: Alles wegschieben, damit man sich auf die Therapie konzentriert, die ja genug Kraft braucht.
    Und jetzt hat die Seele Zeit, sich zu melden... und zu gesunden...
    Ich wünsch Dir dafür alle Energie der Welt.

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  2. Während der Chemo und auch noch vor der OP war ja noch nicht sicher, wie der Krebs auf die Behandlung reagiert hat, von daher war ich angespannter und das Nervengerüst wesentlich wackeliger als jetzt.
    Nur ist jetzt halt auch nicht alles gut, nur weil der Krebs weg ist. Aber ich möchte nicht zu sehr dran rühren, nicht zu viel darüber nachdenken.
    Die Arztbesuche und sonstigen Erinnerungen an die Krankheit reichen mir im Moment, ich möchte jetzt einfach mal Frieden haben. Auch, wenn ich weiß, dass die Ruhe trügerisch sein kann.

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  3. Die Zeit danach ist finde ich am schlimmsten, auf einmal wird einem alles bewußt, die Gedanken haben freien Lauf, denn der eigentliche Kampf ist vorbei. Keine Schmerzen oder Übelkeit die einen ablenken.
    Heute 10 Jahre nach der Tumor OP meiner Lütten bin ich immer noch am aufarbeiten und ich war ja "nur" Angehörige ...
    Nimm dir Zeit für dich und deine Gefühle, durch lebe sie.
    viele liebe Grüße Rubinengel

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    1. Hm, ich bin zwiegespalten, einerseits weiß ich, dass gerade der Krebs, der in jungen Jahren auftritt, aggressiv ist und gerne zurückommt, aber andererseits will ich einfach nicht mehr ständig daran denken.
      Btw: ich musste Lütten googlen, dass es "Kind" heißt, wusste ich, aber nicht, dass ein weibliches Kind damit gemeint ist :)
      Und nein, "nur" Angehörige bist du nicht - es war für meine Eltern fast furchtbarer als für mich, ich denke, es gibt kaum schlimmerers, als sein Kind leiden bzw. in Gefahr zu sehen.

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