Samstag, 31. August 2013

Tag 61 - Haare ab

Die Haare sind - teilweise - ab.
Skuriller Traum heute: Ich liege in einem Krankenbett und fahre damit in Kärnten auf der Autobahn. Allerdings hat mir das Ding zu wenig PS und ich weiss auch nicht, wie es zu betanken ist.

Donnerstag, 29. August 2013

Tag 59 - wirres Zeugs

Schlechte Nacht hinter mir.
Das Antidepressivum wirkt nicht mehr in der bisherigen Dosierung, ich muss wohl auf eine ganze Tablette erhöhen.
Stundenlang wach gelegen, habe gelesen, bin zweimal aufs Klo gegangen, um Mitternacht auf die Loggia um 2 Nachbarskatzen beim streiten zuzuhören. Meine Kater sind mit raus, die Sensationsgier ist wohl auch bei Katzen vorhanden.
Der Blog ist mir nicht aus dem Kopf gegangen, stundenlang Hin- und Hergewälze im Bett, danach wieder unglaublich wirres Zeugs geträumt.

Fertig aufgewacht, wieder hingelegt, dann doch aufgestanden. Durch die Trödelei dem Paketzusteller die Tür öffnen können, meine Bücherbestellung ist endlich da. Krebsliteratur. Ich kann mich nicht länger nicht damit auseinandersetzen.

Ich musste heute zur ersten Laborkontrolluntersuchung, es wird überprüft, ob meine Leukozyten nicht zu sehr abstürzen. Wenn der Wert unter 1000 fällt, habe ich keine Abwehrkräfte mehr und muss aus dem Verkehr gezogen werden.
Obwohl ich tätowiert und gepierct
bin war, kann ich keine Nadeln mehr sehen.

Durch die Müdigkeit kurzatmiger als die letzten Tage. Was mögen sich meine Kollegen denken?
Sie müssen meinen immer breiter werdenden Scheitel doch sehen, meine Schweigsamkeit hören, meine Verzweiflung riechen?
Doch die Arbeit schafft mir dringende Normalität. Sie lässt mich immer wieder vergessen, dass ich krank bin.

Mittwoch, 28. August 2013

Tag 58 - Wo bist du


Kurz vor 6 in angedeuteter Bauchlage aufgewacht. Seit ich Ende Juli an Lymphknoten und rechter Brust operiert worden bin, hab ich nur mehr am Rücken geschlafen.

Wirres Zeug vom Bimfreund geträumt, er entkommt mir immer wieder. In der Straßenbahn daher “Wo bist du?” von Rammstein passend.


Stehe ohne Probleme auf. Die Katzen streiten sich, der Kleine dreht auf bei dem angenehm kühlen Wetter, ich gehe dazwischen.

Lese in der Arbeit den Blog von Wolfgang Herrndorf, von dem ich bis gestern nichts wusste. Ein Satz sticht mir besonders in’s Auge: “… ob man Atheist ist, kann man erst auf den letzten Metern sagen.”
Ich bin Agnostiker. Wenn es Gott gibt, dann mag er mich nicht besonders.

Mein Urin stinkt nach Krankenhaus.
Ich will diese Haare nicht mehr.

Dienstag, 27. August 2013

Tag 57 - Einkaufszentrum-Impressionen

Ein durchwachsenes Aufwachen. Mein Mann wirft das kreischende Handy auf den Boden, damit jeder was davon hat.

Ein sinnlos verplemperter Vormittag. Obwohl: ist Verplempern auch mal sinnvoll?

Ich bin vor dem Rechner versumpft, schlaff vom langen Sitzen werde ich noch schlaffer. Mein letzter ”freier” Tag, zu Mittag bin ich dann so weit, dass ich mich bei der Ärztin abschreiben lassen kann.

Weil das Wetter es zulässt und auch der richtige Bus kommt, fahre ich spontan in die andere Richtung, in ein kleines, schrottiges Einkaufszentrum zwischen meinem und dem anderen Bezirk.

Ich gehe über den Parkplatz, sehe die trostlosen Geschäfte und bin doch froh, hier zu sein. Kaufe eine Kleinigkeit und fahre gleich wieder zurück. Vermeide im Bus Blickkontakt, will geschlechtslos sein.

Das auf meinem Kopf sind keine Haare mehr, das ist ein Nest aus Heu, das komisch riecht. Ich wasche sie später mit erheblichen Verlusten und schaffe es trotzdem nicht sie zu entfernen.

Donnerstag, 22. August 2013

Tag 52 - 2. Chemo

Nach einer grottigen Nacht fahre ich mit den Öffis ins Spital. Am Tag davor habe ich mit dem neuen Staubsauger meine Kopfhörer gekillt und die einzigen Nicht-Ear-Ins, die ich zu Hause gefunden habe, sind so schlecht, dass ich auf’s Musik hören verzichte.

Ich komme gegen 07:30 auf der Station an, setze mich vor die Tagesklinik und harre der Dinge. Die zuständige Schwester sieht mich, ignoriert mich aber.
Nach 20 Minuten kommt eine weitere Patientin, sie ist ein paar Jahre älter, auf den zweiten Blick sehe ich die Perücke. Wir warten gemeinsam, irgendwann fragt sie mich, die wievielte Chemo es bei mir ist.

Sie vermutet, es wäre die erste, da ich noch so viele Haare habe. Tatsächlich fängt mein Haar erst jetzt langsam an auszugehen.
Nach über 90 Minuten Warten kommt die Schwester zu uns, ich werde hineingerufen, erfahre, dass ich auf jeden Fall über Nacht hier bleiben muss und werde einem Zimmer zugeteilt.

Ich kriege meine Krankenakte in die Hand gedrückt und marschiere rüber in die Onkologie, vor jeder Chemo die gleiche Prozedur.
Ich werde schnell aufgerufen, der Onkologe (Zitat: “Bin hier nur Aushilfe”) kann mir aber nicht viel sagen. Gentest? – weiß er nicht, muss er nachfragen, am besten ich kläre das mit der Gyn.
Hallo? Es geht hier um mein Leben. Soll ich alle 5 Jahre hier sitzen, bis mich der Krebs endgültig erwischt?

Ich gehe zurück auf die Station, ziehe mich um, mein Port-a-Cath wird angestochen und es geht los mit den Infusionen.
Ich schlafe ein, irgendwann kommt eine der Psychologinnen, ich schicke sie aber wieder weg. Ich glaube nicht, dass sie mir
überhaupt jetzt helfen kann.

Als die Infusionen endlich durch sind, sitze ich draussen vorm KH auf einer Bank und schaue ins Grüne. Ich weiß nicht, was ich fühle.
Mir wird bald schlecht. Ich bekomme noch eine Infusion gegen die Übelkeit, es hilft aber nicht viel. Meine Zimmernachbarin sagt in gebrochenem Deutsch zu mir: “Nicht weinen, du musst stark sein.”
Es ist die Hölle, es ist meine persönliche Hölle.
Trotz Tabletten brauche ich noch lang um einzuschlafen.

Montag, 12. August 2013

Tag 42 - Friso

Prinz Friso ist tot.
Sie haben ihn wohl sterben lassen.

Ich habe niederländische Vorfahren, habe lange in einer Firma gearbeitet, die ihr europäisches Hauptquartier in Amsterdam hat - ich fühle mich  mit den Niederlanden, speziell Holland verbunden.

Ich kann jetzt sehr, schlecht damit umgehen, wenn es jemand nicht schafft.

Farewell en tot ziens Friso!

Bildquelle: wikipedia.org


Samstag, 3. August 2013

Tag 33 - Oma

Heute feiert meine Oma ihren 90. Geburtstag. Ich kann nicht hinfahren, da ich am Vortag von der ersten Chemo heimgekommen bin und schwach bin.

Der Krebs macht mir auch hier einen Strich durch die Rechnung.